Gibt es zum dritten Mal hintereinander keinen sportlichen Absteiger?

25.02.2017 00:00:00 | maroons

Liga-Präsident Schifferle zum Fall FC Wil

 

«Glauben Sie mir, wir haben den FC Will überwacht»: (tagesanzeiger.ch / 16.02.2017 / Birrer und Zürcher)

 

Liga-Präsident Heinrich Schifferle ärgert sich über den Fall des FCW und die Vorgehensweise von Liga-Finanzchef Roger Bigger.

In Wil wird morgen wieder Fussball ­gespielt. Der FCZ ist zu Gast, und wenn ­alles so gelaufen wäre, wie sie sich das in der Ostschweiz vorgestellt haben, müsste es eine Spitzenpartie in der Challenge League sein. Ist es aber nicht – die Wiler sind sportliches Mittelmass und haben ein grosses Problem: Die türkischen Investoren sind über Nacht verschwunden. Liga-Präsident Heinrich Schifferle (63) ist beunruhigt.

Wem gehört ein Fussballclub?
Emotional gesehen sind es die Leute, die ins Stadion gehen und sich mit ihrer Mannschaft identifizieren. Und dann sind da die Besitzer und Aktionäre. Sie finanzieren die Clubs. Idealerweise kommen sie aus der Region.

Dann beissen sich ausländische Investoren mit Ihrer Ideal­vorstellung.
Nicht zwingend. Es kommt darauf an, was die Investoren wirklich wollen. ­Haben sie lautere Absichten, sind solche Engagements nicht a priori zu verur­teilen.

Was dachten Sie beim Einstieg der türkischen Gruppe in Wil?
Wenn ich mich richtig an meine Worte von damals erinnere, sagte ich: Ich bin skeptisch, aber man soll dieser Gruppe eine Chance geben. Aber eines muss ich schon festhalten: Die Liga war machtlos, sie konnte den Verkauf nicht verhindern. Die Lizenzkommission überprüfte alles und kam zum Schluss, dass alles rechtens war. Ob es der Präsident der Liga nun toll findet oder nicht, tut nichts zur Sache. Aber wichtig ist mir: In der Regel stehen die richtigen Leute an der Spitze der Clubs.

Und dann gibt es Clubs wie Wil . . .
. . . die Geschichte mit den türkischen ­Investoren endete leider so, wie man es befürchten musste. Es ist eine richtig blöde Situation, wenn Jahr für Jahr ­irgendein Verein in derart gravierende Probleme gerät, die der Eigentümer zu verantworten hat. Wenn eine Führung Interessen verfolgt, die man nicht richtig nachvollziehen kann, und keine Verankerung in der Region hat, wird es sehr heikel.

Wie meinen Sie das?
Mir käme es nie in den Sinn ausserhalb der eigenen Region zu investieren! ­Genau darum, weil mir dann der Bezug fehlt. Wenn ein Besitzer oder Gross­aktionär eine enge Verbindung zur ­Region hat, ist die Chance wesentlich grösser, dass es funktioniert. Er kennt die Mentalität, er weiss, wie die Leute ­ticken. Und wenn ein Ausländer sich engagieren möchte, dann kann der FC Wil doch nicht die erste Anlaufstelle sein.

Dann war das Projekt in Wil zum Scheitern verurteilt?
Es ist doch ausgeschlossen, dass in Wil auf Dauer Super-League-Fussball möglich ist, geschweige denn Teilnahmen am Europacup. Das hat den einfachen Grund, dass die Region das nicht hergibt. Mit Geld lässt sich vielleicht etwas aus der Retorte erzwingen, aber nachhaltig ist das undenkbar. In der Nachbarschaft gibt es den FC St. Gallen. Und glauben Sie, dass irgendein St. Galler sich von seinem Verein abwenden und fortan den FC Wil unterstützen würde? Das kann ich mit nicht vorstellen.

Was hat Wils Präsident Roger Bigger geritten, den Club zu verkaufen?
Das müssen Sie ihn fragen.

Sie haben sicher eine Meinung.
Er war jahrelang Präsident in Wil, dann kam dieses Angebot. Ich kann einen Clubchef verstehen, der irgendwann zum Punkt kommt, an dem er sagt: Ich habe genug davon, die ganze Verantwortung zu tragen, immer für ein ausgeglichenes Budget zu sorgen. Er war damit seine Probleme los.

Seltsam ist: Die Liga will Fälle wie Biel oder Xamax unter allen Umständen vermeiden. Dann verkauft Bigger, der erst noch Finanzchef der Liga ist, den FC Wil an türkische Investoren.
Den Entscheid, den er fällte, kann man hinterfragen. Das ist klar.

Ist Bigger für das Liga-Komitee noch tragbar? 
Er ist weiterhin Mitglied des Komitees.

Haben Sie damals Bigger von Kollege zu Kollege nicht empfohlen, auf den Verkauf zu verzichten?
Ich erfuhr von der Übernahme erst, als sie schon passiert war. Deshalb enttäuscht es mich, wie alles abgelaufen ist. Aber grundsätzlich liegt es mir fern, Ratschläge zu erteilen oder zu warnen.

Der Club ist doch verpflichtet, die Ligaführung vorgängig über einen Clubverkauf zu informieren.
Ja.

Da wirkt der Fall Wil erst recht befremdlich.
Sie müssen Herrn Bigger selber fragen, warum er so gehandelt hat. Die ganze Geschichte ist sicher nicht im Sinn der Liga.

In Wil sollen einzelne Spieler über 40'000 Franken pro Monat verdient haben. 
Es ist absolut verwerflich, wenn in der Challenge League solche Löhne gezahlt werden. Ganz klar.

Die Liga kennt den Inhalt jedes einzelnen Spielervertrags. Also hätte sie auch eine Kontrolle.
Die Lizenzbehörden haben Kenntnis ­davon. Aber ich habe noch nie einen Vertrag angeschaut. Glauben Sie mir, der Kontrollmechanismus klappt sehr gut, und wir haben den FC Wil mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln überwacht. Mehr stand nicht in unserer Macht.

Könnte die Liga ausländische Investoren verbieten?
Das wäre juristisch kaum wasserdicht. Ich befürchte, dass wir bei einem Rechtsstreit ziemlich flach herauskommen würden. Und auch die deutsche 50+1-­Regel (kein Investor darf eine Mehrheit der Clubanteile besitzen) kann für uns kein Thema mehr sein, dafür sind wir zu weit.

Was heisst das?
Die meisten Clubs funktionieren sehr gut – und das vor allem dank Mehrheitsaktionären. Schauen Sie z. B. nach ­Sitten, Bern, Luzern oder Zürich. Wir können also nicht mehr retour. Wer Geld gibt, der will auch bestimmen. Das ist völlig normal.

Ist es denkbar, dass die Liga sagt: Ausländischer Investor ja, aber nur, wenn er beispielsweise die Jahreslöhne der Angestellten vorgängig auf ein Konto überweist?
Im Lizenzierungsverfahren wird die ­Einnahmestruktur des Clubs und die Glaubwürdigkeit des Investors angeschaut. Wir prüfen, woher das Geld kommt. Aber ja: Bei Geldern aus dem Ausland ist es vielleicht wirklich ­angebracht, wenn wir künftig Garantien verlangen.

Wie gross ist nun der Schaden für den Schweizer Fussball? Ich weiss nicht, ob man von einem ­Schaden sprechen kann. Das Image ­leidet im Moment vielleicht, aber das beschränkt sich auf die Challenge League. Es handelt sich um ein lokales Problem. Die ganze Swiss Football League ist genug gefestigt, um sich ­dadurch nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen.

Die Liga trägt eine Mitverantwortung.
Als Liga haben wir das immer, natürlich. Aber noch einmal: Der Fall liess sich nicht verhindern. Wir sehen nicht in die Köpfe der Leute, das ist doch das Problem. Sonst wüssten wir, ob das, was ­gesagt wird, auch wirklich stimmt.

Dann gehen bei Ihnen die Alarmglocken los, wenn wie in Wohlen vergangenes Jahr ein arabischer Investor vorgestellt wird?
Der Fall Wohlen unterscheidet sich komplett von jenem in Wil. Ich kenne den Präsidenten des FC Wohlen, ein hoch­anständiger, hochintegrer Mann . . .

. . . ist das Herr Bigger nicht? Herr Tschachtli heisst der Mann . . . Wir reden vom FC Wohlen. Es ging nicht darum, das Budget zu vervielfachen, sondern man fand jemanden, der für die überschaubaren Verluste geradestand. Der Mann zahlte das Geld, erledigt. Das war ein Glücksfall. Und die Liga war glücklich, dass einer da war, der einem sympathischen Club half. Leute mit ­hehren Absichten und Geld sind jederzeit willkommen.

Dann sagen Sie uns: Was definiert einen guten ausländischen Investor?
Jemand, der aus edlen Gründen bereit ist, sich im Fussball zu engagieren. Vielleicht will er in der Schweiz Fuss fassen und das auch damit manifestieren, dass er sich bei einem Club in der entsprechenden Region einbringt.

Sie brauchen also Philanthropen.
Das sagen Sie. Okay, vielleicht ist es so.

Was kann die Liga aus dem Fall Wil lernen?
Es gibt auch in der Privatwirtschaft Fälle, die zeigen: Man kann noch so viele griffige Gesetze schaffen und Regeln vorgeben, passieren kann immer etwas Negatives. Aber natürlich fragen wir uns, wie wir künftig ein solches Szenario ­verhindern können.