Jenkins versucht zu beruhigen

01.04.2015 00:00:00 | maroons

Julian Jenkins im Interview mit Léman Bleu

Stürmische Zeiten in Genf – und dies nicht wegen Sturmtief Niklas. Nach einer Pressemitteilung am Morgen und diversen Medienberichten auf verschiedensten Onlineplattformen, nahm CEO Julian Jenkins am gestrigen Abend im TV Stellung zur momentanen Situation beim Servette FC. Jenkins strahlt Zuversicht aus und relativiert die panische Berichterstattung der Medien. Untenstehend die Textform des zehnminütigen Interviews.

Trotz Zahlungsrückstand, Servette befürchtet keinen Konkurs: (lemanbleu.ch / 31.03.2015 17:23 Uhr / Brian Wakker)


 

Brian Wakker (Léman Bleu): Der Servette FC ist im Verzug mit seinen Zahlungen. Die Kasse der Grenats ist leer. Lieferanten und Angestellte warten auf ihre Entlöhnung. Julian Jenkins, guten Abend.
Julian Jenkins (Servette FC): Guten Abend.

Julian Jenkins, die heutigen Neuigkeiten kamen sehr überraschend. Zwar hat man sich mittlerweile daran gewöhnt, dass Servette finanziell nicht in einer überragenden Verfassung ist, und doch gab es keine wirklichen Gerüchte oder Vorahnungen, dass es so schlecht um den Verein stehen soll. Wie erklären Sie diese unangenehme Überraschung?

Ich möchte mich zu Beginn dieses Interviews schon vorab bei allen Angestellten und Spielern für ihre Geduld und ihre Rückendeckung bedanken. Auch bedanke ich mich bei all unseren Fans, welche heute grosse Anteilnahme zeigten und den Servette FC auf ihre Weise unterstützen.

Seit einigen Tagen erwarten wir Zahlungseingänge, welche bis heute nicht eingetroffen sind und uns in diese unangenehme Lage bringen. Wir konnten daher die Lohnzahlungen für den Monat März noch nicht vornehmen.
Wie Sie wissen bin ich eine offene und ehrliche Person. Gerade deshalb war es mir wichtig, heute Morgen unserem Staff Auskunft über die Probleme zu geben und anschliessend auch an die Spieler heran zu treten, um ihnen zu erklären, warum wir die Märzlöhne noch nicht überweisen konnten.


In der Fussballwelt sind Januar und Februar die härtesten Monate, wenn keine Spiele ausgetragen werden. Nun haben wir März, der Meisterschaftsbetrieb wurde wieder aufgenommen. Die Fans kommen ins Stadion, bezahlen ihren Eintritt und kaufen Fanartikel. Es sollte also Geld in die Kassen des Vereins gespült werden. Ist dies zu wenig?

Die meisten Fussballvereine haben Probleme mit dem Geldfluss, wenn sie ihr Budget für die Saison aufstellen. Auch wir arbeiten hart, um diese Cash-Flow-Probleme zu beseitigen. Wie vorhin erwähnt, haben wir Geld erwartet, das leider noch nicht eingetroffen ist.

Wir haben ein Problem mit dem Geldfluss, welches wir nicht abstreiten, aber welches wir zu lösen versuchen und welches nur von kurzer Dauer sein sollte.

 

Nach der Pressemitteilung von heute Morgen kursierten bereits erste Gerüchte über die Höhe der Schulden. Man spricht von 400‘000.– Franken für diesen Monat und gar von benötigten vier Millionen, um die Spielzeit beenden zu können. Wie kann das sein, dass ein so grosser Teil des Jahresbudgets von sieben Millionen Franken noch in den letzten vier Monaten reingeholt werden muss?
Das ist ganz simpel. Wir planten im Voraus mit diesen Zahlen und kamen plötzlich in Zahlungsverzug. Das Ganze staute sich auf und die vergangenen Monate holten uns ein. Das ist der Grund, warum die Lage so aussieht, wie sie aussieht und warum wir diesen grossen Teil unseres Budgets in diesen letzten Monaten der Saison decken müssen.

 

Einige Personen vermuten hinter der heutigen Pressemitteilung bereits einen Marketing-Gag, um Druck auf den Kanton, die Stadt und potenziellen Sponsoren auszuüben und an Geld zu kommen. Zur Erinnerung - Servette weiss landesweit, noch vor Basel und den Grasshoppers, am meisten Junioreninternationale in seinen Reihen. Ausserdem trat man erst letzte Woche vor die Medien, wo man sich mit der „Servette Community Challenge“ volksnah zeigte und neue Stadionpläne veröffentlichte. Gleichzeitig forderte man auch sechs Millionen Franken von den Behörden zurück, welche zur Instandhaltung des Stadions deponiert- und nie eingesetzt wurden.
Geht es wirklich nicht darum, mittels Druck aus der Bevölkerung schnellstmöglich an dieses Geld zu kommen?

Schauen Sie, wir sind sehr ehrlich hier und Sie können mir glauben, dass wir niemanden mit solchen Druckmitteln erpressen wollen. Wir haben keine „Taktik“, die Behörden in irgendeiner Form auszunehmen. Im Gegenteil, wir arbeiten, was das Stadion betrifft, seng und ausgesprochen gut mit den Behörden und der Stadionstiftung zusammen. Als ich hier ankam sagte ich in einem meiner ersten Interviews, dass ich das Stadion als eines der grössten Probleme ansehe. Die Lösung dafür kommt aber nicht einfach so. Wir müssen alle aufeinander zugehen und gemeinsam versuchen, das „Fussballstadion“ in ein „Gemeindestadion“ zu verwandeln, welches allen 365 Tage im Jahr etwas bringt. Erst dann kann dieser Problemherd gelöscht werden.
Wir sind momentan bei den lokalen Behörden vorsässig und haben ein Dossier vorbereitet, welches aufzeigt, dass Gelder, die wir für das Stadion hinterlegt haben, an uns zurückerstattet werden müssen. Wir vertrauen auf die Richtigkeit dieser Dokumente und gehen davon aus, dass wir von dieser Seite her sechs Millionen Franken zurückerhalten. Wenn das Geld wieder zu uns gelangt ist, lösen sich die Sorgen mit dem Cash-Flow von alleine.

 

Sie sprechen bloss von kurzfristigen Geldsorgen. Was aber, wenn das Geld bis Ende dieser- oder nächster Woche nicht eingetroffen ist? Würde dies das Ende des Servette FC bedeuten?

Hören Sie, es wird nie ein Ende des Servette FC geben. Wir feiern dieses Jahr das 125. Jubiläum. Was ich damit sagen möchte ist, dass ich meinen Posten und die damit verbundene Verantwortung als CEO sehr ernst nehme. Ich gebe ganz offen zu, dass wir finanzielle Schwierigkeiten haben, doch es gibt hier niemanden, der mit einer Stoppuhr neben uns steht und sagt, was wir in einer gewissen Zeitspanne erreicht haben müssen. Was ich versichern kann ist, dass wir mit Hochdruck an Lösungen arbeiten und viel Effort an den Tag legen. Sobald sich die Situation weiterentwickelt, werden wir die Öffentlichkeit über den neusten Stand der Dinge informieren.
Wir glauben an uns und die Pläne, wie wir die Schulden tilgen können. Wir arbeiten zukunftsorientiert und wollen eine langfristige finanzielle Stabilität in den Verein bringen. Ich bin erst seit Juni hier und möchte erwähnen, dass wir auch auf anderen Ebenen versucht haben, die Unordnung im Klub aufzuräumen. Dies ist uns teilweise bereits gelungen. Auch sportlich läuft es bei uns. Kevin, sein Staff und die Spieler leisten hervorragende Arbeit, was uns, nach 25 gespielten Runden, an die Spitze des Klassements gebracht hat. Wo wir am Ende der Meisterschaft stehen werden, kann ich zurzeit noch nicht sagen, doch ich hoffe inbrünstig, dass wir die Probleme mit dem Stadion und dem Cash-Flow in den Griff kriegen. Für die nächste Spielzeit wollen wir ein „robustes“ Budget auf die Beine stellen, auf das wir vertrauen können, sodass wir uns auf eine ruhige Saison 2015 / 2016 freuen können.

 

Sie haben es hier angedeutet. Sie haben es in der Pressemitteilung erwähnt. Lösungsvorschläge sind vorhanden. Es wird von Verhandlungen mit privaten Geldgebern gesprochen. Gibt es hier konkretere Informationen? Wer soll Ihnen Geld geben?
Was man hier vorneweg sagen muss ist, dass die Marketingabteilung über mehrere Jahre hinweg schlecht aufgebaut gewesen ist. Wir haben auch jetzt noch nicht so richtig realisiert, welchen Einfluss wir als Werbeträger haben können. Hier besteht Verbesserungspotential.
Aber um als Werbeträger zu fungieren, müssen wir uns selbst erst attraktiv machen. Wir müssen die Leute ins Stadion locken. Wir müssen den Draht zu ihnen finden, damit sie sich mit uns identifizieren und sich als Teil des Vereins fühlen können. Die Zuschauerzahlen bei den Heimspielen steigen stetig, wenn auch nur langsam. Es sind kleine Schritte, welche trotzdem zeigen, dass wir auf dem richtigen Pfad sind. Wir sind raus in die einzelnen Ortschaften gegangen und wollen auch jetzt mit der „Servette Community Challenge“ Geld einnehmen, um anschliessend 1890 Saisonabonnements, im Wert von 600‘000.– Franken, an karikative Institutionen zu verteilen. Dies ist eine empfindlich hohe Summe für einen Verein unserer Grösse.
Um wieder auf zum Thema zurückzukommen. Ich bedanke mich bei allen Fans und Sponsoren für die Unterstützung, die wir jetzt schon erfahren dürfen. Auch den Behörden spreche ich einen Dank für Ihre Geduld und Einsicht, in den aktuell schwierigen Zeiten, aus. Genau jetzt ist der Punkt gekommen, an dem wir auf alle angewiesen sind. Ich denke, dass wir ein fähiges Management haben, das den Verein mit dieser Unterstützung durch diesen Sturm führen wird.
Auch Sie, wenn Sie am Samstag noch nichts vorhaben. Kommen Sie mit Ihren Freunden an das Spiel, wir sind auf jeden Rappen angewiesen. Es wäre schön, wenn wir am Samstag 6‘000 bis 7‘000 Zuschauer im Stadion begrüssen dürfen. Das wäre fantastisch. Wir brauchen jeden einzelnen Zuschauer, getreu dem Motto „Make a Difference“ („Mach den Unterschied aus“). Ich bin sicher, dass wenn wir ganz Genf hinter diesen Verein bringen, weiterhin erfolgreich arbeiten können. Wir geben uns Mühe und „sind so gut, wie wir können“. Wie „gut“ das ist, weiss ich leider nicht, aber wir geben uns Mühe so zu sein.

 

Sie legen sich also nicht auf eine bestimmte Zeitspanne fest. Es gibt noch keinen „Tag X“ und die Lage ist noch nicht hoffnungslos?
Dieser Klub hat schwierige finanzielle Zeiten hinter sich, in denen das Wort „Bankrott“ ein steter Begleiter war. Das ist jetzt aber nicht der Fall.

Hugh Quennec übernahm hier vor drei Jahren. Er hat den Verein, das Stadion und die Juniorenakademie gerettet und sich finanziell stark engagiert. Viel Zeit und Herzblut wurden von diesem Mann in diesen Verein gesteckt. Ich persönlich finde, dass er nun Unterstützung braucht. Er braucht den Support der Behörden und den Einwohnern der Stadt und Umgebung. Ich vertraue seiner Philosophie, seinen Visionen und seiner Arbeitskultur. Er hat auch schon viel für den Eishockeyverein gemacht, was ebenfalls mit viel Geduld und Rückschlägen verbunden war.
Es geht für uns hier nicht um alles oder nichts. Wir stehen nicht vor dem Konkurs, sondern haben lediglich dieses Problem mit dem kurzfristigen Geldfluss.

Wie gesagt, ich bin noch nicht lange hier. Trotzdem möchte ich wirklich versuchen, alle hinter Servette zu vereinen. Mein Gefühl sagt mir, dass wir am Anfang von etwas wirklich fruchtbarem stehen. „Zusammen sind wir Servette!“ und das gilt für morgen, übermorgen, Samstag und den Rest der Meisterschaft.

 

Eine letzte Frage noch. Sie haben es gesagt. Servette steht mit einem Punkt Vorsprung auf den FC Wohlen auf dem ersten Tabellenplatz. Am Samstag steigt das nächste Spiel.

Im Falle eines Aufstiegs würden wieder Kosten anfallen, wenn man zum Beispiel auf Druck der Liga den Rasen wechseln müsste. Sind die Ambitionen für einen Aufstieg, angesichts der momentanen Situation, in den Hintergrund gerückt?
Nun, nach 25 Spieltagen, führen wir die Rangliste an. Wir dürfen behaupten, dass wir das beste Team der Challenge League sind. All die finanziellen Fragezeichen sollen die Arbeit von Kevin & co. nicht schmälern. Wir haben noch immer ein herausragendes Kader, das das Ziel „Aufstieg“ vor Augen hat. Wir sind noch nicht durch und es ist noch ein steiniger Weg bis in die Super League, doch wenn wir es schaffen, dann können wir uns im Sommer hinsetzen und voller Elan weiterarbeiten. Wir werden dann sicherlich noch mehr Rückhalt in der Stadt spüren und motiviert in die Super League starten. Und ich erwähne hier, dass wir „nicht nur Team in der Super League sein wollen, sondern dass wir ein Super-League-Team sein wollen!“ Auf das arbeiten wir hin und ich bitte Sie nochmals inständig, dass Sie die Cash-Flow-Probleme nicht mit dem Geleisteten der Mannschaft in Verbindung bringen.

Zum Abschluss möchte ich mich nochmals wiederholen: „Wir geben unser Bestes, um so gut zu werden, wie wir sein können!“

Julian Jenkins, vielen Dank für das Interview.
Ebenfalls vielen Dank.

 

 

 

 

Übersetzung: Peter
Foto (Screenshot): lemanbleu.ch