Nach Rausschmiss beim SFC - Bluesport interviewt Häberli
Häberli spricht über seine Gefühle nach dem Rauswurf als Servette-Trainer
Nach der zweiten Meisterschaftsrunde musste Trainer Thomas Häberli bei Servette gehen, obwohl der Luzerner das Team im Vorjahr noch auf Platz 2 geführt hatte. Der 51-Jährige blickt mit blue Sport auf die Zeit in Genf zurück.
Thomas Häberli, was machst du aktuell, wie sieht dein Alltag aus?
Ich bin immer noch in Genf und geniesse die Familie, koche immer wieder etwas, gehe biken und treibe Sport und schaue, dass ich fit bin. Ein bisschen lesen. Es tut gut, ein wenig Auszeit zu haben, ich war ja zuletzt immer eingespannt. Ich schaue gut zu mir.
Der Verarbeitungsprozess, wenn man als Trainer freigestellt wird: Ist der bei dir abgeschlossen?
Abgeschlossen wird das sicher nicht so schnell. Du hast die Mannschaft geliebt, du hast die Spieler geliebt, du hast Menschen geliebt, darum braucht es natürlich immer etwas länger. Meine Entlassung hat sich ja etwas abgezeichnet und es ist nicht die erste Entlassung. Meine erste war in Luzern und die hat sicher viel mehr wehgetan als jetzt diese in Genf. Daher geht es mir gut und ich verfolge das Ganze gespannt. Ich hatte eine super Beziehung mit den Spielern, den Leuten und dem Staff. Daher kann man dies nicht einfach von heute auf morgen aus dir herausreissen. Aber es geht mir gut und das alles ist Teil vom Job – jede Woche und jeder Monat der vergeht, hilft.
Mit welchen Gefühlen schaust du auf die Zeit in Genf zurück – gibt es etwas, worauf du stolz bist?
Ich denke, es war ein Superjahr. Wir haben sehr viele Ziele erreicht. Wir waren bis zum Schluss nahe an Basel dran, obwohl wir es am Schluss nicht geschafft haben, weil Basel das Ganze souverän durchgezogen hat. Wir haben ausser im Cup, wo wir gegen Schaffhausen früh ausgeschieden sind, gute Dinge geleistet. Auch international haben wir die Schweiz super verkauft mit den Spielen gegen Prag oder gegen Chelsea. In Genf hat man schon lange nicht mehr eine solche Mannschaft geschlagen. Wir waren immer souverän unter den ersten sechs Mannschaften und sind bis zum Schluss dort oben geblieben, obwohl wir auch gewisse Schwierigkeiten hatten.
Als René Weiler gegangen ist, waren die letzten zwei, drei Monate nicht ganz einfach. Wir wussten, dass zum Schluss noch die Champions-League-Quali winkt, da musst du parat sein – wir haben uns auch noch einmal gesteigert und haben gut durchgezogen. Ich bin stolz, dass wir da nicht noch einen Absturz gehabt haben.
Die Entlassung kam aus deiner Sicht nicht ganz so überraschend. Hast du gespürt, dass es eng wird und du Resultate brauchst?
Wenn man zwei-, dreimal nacheinander verliert – es spielt dabei keine Rolle wie man verliert –, wird es überall etwas komplizierter. Wir haben noch gegen Pilsen gewonnen, zehn Tage später wirst du entlassen. Dies war in dieser Konsequenz sehr konsequent. Aber es hat sich eigentlich schon im Mai angedeutet: Als René Weiler den Verein verliess, war ich auf mich alleine gestellt. Zudem wurden gewisse Entscheidungen getroffen, welche sie treffen dürfen, welche man einfach akzeptieren muss, wo man sich aber denkt: ‹Okay, es wird komplizierter›.
Dann spielen die Gesetze des Fussballs. Der Erfolg hat sich nicht eingestellt, auch weil Dinge passiert sind wie die Rote Karte in Bern nach 7 Minuten und wir durch einen Penalty 0:1 in Rückstand geraten – danach denkst du, dass sich die Fussballgötter abgewendet haben. Dann ist eine Entlassung die normale Folge, so läuft das Business.
René Weiler, welcher dich als Trainer geholt hat, ist weg, du warst auf dich alleine gestellt. Hattest du überhaupt eine Chance?
Es spielt keine Rolle, ob du jede Woche mit dem Präsidenten einen Kaffee trinken gehst. Wenn du dreimal, viermal oder fünfmal verlierst, bist du weg. Am Schluss halten dich die Resultate im Job, an diesen wirst du gemessen, das ist unser Auftrag. Wenn man eine sieglose Serie hat wird eng. Daher muss man sich nicht wundern, wenn es passiert, weil das Teil vom Ganzen ist. Es ist sicher einfacher, wenn man jemanden hat, der einem den Rücken freihält. Auch weil die Aufgaben als Trainer unglaublich vielfältig sind. Daher ist es sicher besser, wenn dem Trainer gewisse Aufgaben abgenommen werden und man dies nicht auch noch selber machen muss. Wenn nicht, besteht die Gefahr, dass du den Fokus verlierst und die Energie nicht dort ist, wo sie sein müsste.
War das bei dir also der Fall, dass der Fokus nicht mehr stimmte und du dadurch Energie verloren hast?
Jeder, der im Fussballgeschäft ist, kennt dies. Eigentlich kennt dies jeder Mensch. Es gibt eine Leistung – aber nicht jede gute Leistung lässt dich auch gewinnen. Es müssen alle am gleichen Strick ziehen, und so hat es sich irgendwann abgezeichnet, dass es eine Trennung gibt. Zufälligerweise waren wir auf dem ersten Platz und haben dann verloren und es gab irgendwann einen Bruch. Es ist ganz normal, dass dies, gerade was den Erfolg betrifft, nicht spurlos an einem vorbeigeht.
Man hört aus dem Genfer Umfeld immer wieder, dass viele Leute im Verein mitreden. Was ist das Schwierigste dort für einen Trainer?
Ich bin als Söldner nach Genf gekommen, komme nicht aus der Region. Der Verein hat in den letzten Jahren unglaubliche Fortschritte gemacht, Servette ist ein Traditionsverein, eine unglaubliche Adresse. Als Angestellter musst du dich gar nicht gross um das Umfeld kümmern, es wird überall geredet: Fussball ist allerhöchstes Drama, darum lieben wir es auch. Du musst einfach deinen Job machen, musst schauen, dass die Spieler bereit sind, die Mannschaft auf dem Platz funktioniert und du Resultate holst. Du musst dich anpassen, weil du weisst, dass die Leute miteinander sprechen, dass es auch hintenrum Wege gibt. Das darf dich aber nicht ablenken.
Wenn man deine Statistiken anschaut: Du hast Dereck Kutesa zu Höchstleistungen gebracht, hast viele junge Spieler integriert – etwas, was vorher nicht gross geschehen ist. Schmerzt dich, dass dies nicht genug goutiert wurde?
Am Schluss stehen nackte Zahlen und das war der zweite Platz – das hilft und tut gut. Natürlich bin ich froh, dass Dereck so gut performt hat. Er war immer ein unglaublich guter Spieler – seine Ausbeute letztes Jahr war unglaublich. Ja, ich kann und will mir auf meinen CV schreiben, dass ich auf junge Spieler setze. Ich hatte regelmässig einen oder zwei junge Spieler auf dem Feld, im Wissen, dass dies auch immer ein Risiko beinhaltet. Aber ich bin sicher, das hat gerade in Genf Platz, wo es unglaublich gute Spieler hat – darauf bin ich sicherlich stolz.
Wenn man als Trainer seiner Ex-Mannschaft zuschaut, seinem Nachfolger zuschaut und feststellt, dass es nicht viel besser läuft. Verspürt man da auch eine gewisse Genugtuung?
Wenn ich Jesus wäre, dann nein. Bin ich aber nicht. (lacht) Wenn der Nachfolger zehn Mal nacheinander gewinnt, wäre ich sicher nicht einfach nur glücklich gewesen, das ist wohl menschlich. Es muss ein Mittelmass sein. Es ist jetzt gut, ich wünsche Servette, dass bald der Erfolg zurückkommt und sie die Spiele gewinnen. Aber ja, am Anfang dachte ich: ‹Es wurde nicht einfach alles besser nach mir›. Da bin ich zu fest Mensch und zu wenig Jesus (lacht).
Wie geht es weiter mit Thomas Häberli, wann sehen wir dich wieder?
Ich halte die Ohren offen. Ich war in den letzten Jahren im Stress, daher tut es schon auch gut, eine kleine Auszeit zu haben. Die Zeit an der Seitenlinie ist intensiv. Wenn ein gutes Projekt kommt, bin ich bereit. Ich bin ja nicht bei Servette entlassen worden, weil ich total kaputt war, meine Batterien sind relativ voll. Stress habe ich aber im Moment sicher nicht.
Quelle: (bluewin.ch / 27.10.2025 10:51 Uhr / Stephan Eggli)