Um euch die Sommerpause etwas zu verkürzen, blicken wir in den nächsten Wochen auf die Karriereverläufe unserer einstigen Nachwuchshoffnungen. Es ist ein Blick, der uns an Orte und zu Vereinen führt, welche man weder vom Geografieunterricht noch vom FIFA-Managermodus auf der Playstation kennt.
Anfangen wollen wir mit Loris Mettler. "Loris, wer?", werden sich einige fragen. Die Verwunderung ist berechtigt. Denn Mettler machte kein Profispiel für die Grenats. Heute trägt er aber die Rückennummer 10 und spielt bei einem Verein in einer höchsten europäischen Landesliga. Doch dazu später.
Denn Mettlers Karriere begann da, wo er geboren wurde – in Genf. Über die Juniorenabteilung von Etoile Carouge landete der "Sohn der Stadt" in der Servette Academy. An der Seite von Spielern wie Alban Ajdini oder Baba Souaré, welche später im Kader der 1. Mannschaft standen, verdiente er seine Sporen im Juniorenbereich ab. 2014/2015 holte man den Schweizermeistertitel auf Stufe der U18. Bis 2016 trug er das Shirt des grössten Vereins seiner Heimatstadt. Dann ging Mettler auf die 18 Jahre zu. Es musste eine höhere Aufgabe her. In Absprache mit den SFC-Verantwortlichen liess sich der offensive Mittelfeldspieler an Etoile Carouge ausleihen. Bei seinem eigentlichen Stammverein sollte er Erfahrungen in der 1. Liga Classic sammeln. Dies funktionierte ausserordentlich gut. Mettler stand regelmässig in der Startelf und setzte hin und wieder mit einem Tor auch Offensivakzente.
Auch in Lausanne ist das Gras nicht grüner
Die guten Leistungen blieben nicht unbemerkt. Vor allem am nördlichen Ufer des Genfersees vermutete man Potenzial beim jungen Schweizer. Der FC Lausanne-Sport übernahm das Nachwuchstalent 2017 ablösefrei von seinem Rivalen. In Lausanne angekommen, wurde Mettler im Team Vaud parkiert. Dort wollte man ihm Entwicklungszeit gewähren, welche ihm offenbar noch fehlte. Spätere Profispieler wie Gabriel Barès und Lucas Pos hielten Mettler in der 1. Liga Classic den Rücken frei, während Cameron Puertas und Isaac Schmidt vorne für Wirbel sorgten. Zum Durchbruch im Profigeschäft sollte es aber auch im Kanton Waadt nicht reichen.
Kräftesammeln in der Heimat
Die Saison 2019/2020 stand in den Startlöchern. Mettler begrub seine Profiträume fürs erste und kehrte zum Etoile Carouge FC zurück. Dieser war zuvor in die Promotion League aufgestiegen. War dies das benötigte Sprungbrett ins Profigeschäft? Im Stade de la Fontenette war alles wie bei Mettlers erstem Engagement. Trainer Jean-Michel Aeby setzte auf den mittlerweile 20-jährigen. In der dritthöchsten Spielklasse sammelte er wertvolle Einsatzminuten und profitierte von erfahrenen Mitspielern wie Ex-Servettien Geoffrey Tréand. Dann fand der Aufschwung ein abruptes Ende. Aufgrund der Corona-Pandemie musste die Meisterschaft abgebrochen werden. Mettler verlor ein weiteres halbes Jahr auf dem Weg zum Profi. Als der Spielbetrieb im Sommer wieder aufgenommen wurde, schaffte es Mettler, sich nachhaltig in der Stammelf der "Stélliens" zu etablieren. Plötzlich gehörte das einstige Servette-Talent zu den Leistungsträgern. Mettler fing an, Vereine aus der Challenge League zu kontaktieren. Zu Probetrainings wurde er jedoch nie eingeladen. So stand er auch in der Folgesaison in der Promotion League unter Vertrag. Dennoch sollte die Spielzeit 2021/2022 alles verändern.
Cup-Märchen beschert ihm Probetraining
Im Schweizer Cup sorgte Etoile Carouge für Furore. Nach einer Pflichtaufgabe beim FC Gambarogno in der 1. Hauptrunde, schaltete man den FC Winterthur aus der Challenge League aus. Mettler reihte sich unter die Torschützen und freute sich mit seinen Teamkollegen, dass im Achtelfinale der FC Basel in den genfer Vorort reisen würde. Zur grossen Überraschung schafften Mettler & co. gleich nochmals einen Exploit. Unter der Leitung von Coach Thierry Cotting kickte man den "grossen FCB" mit 1:0 aus dem Wettbewerb. Im Februar empfing Carouge im Viertelfinale den nächsten Super-League-Vertreter. Peter Zeidlers FC St. Gallen reiste quer durch das Land. Trotz hartem Kampf setzte sich der Favorit schlussendlich dank Toren von Lukas Görtler und Alexandre Jankewitz mit 2:1 durch. Mettler schaffte es aber als Assistgeber für Romain Kursner ebenfalls aufs Scoreboard.
Wichtiger war jedoch, was sich im Nachgang an die Cup-Partie abspielte. Denn Mettler witterte nochmals eine Chance aufs Profigeschäft. Er organisierte sich die Handynummer von Peter Zeidler und schrieb ihm einfach mal eine Nachricht. Mit seinen guten Cup-Auftritten als Referenz, bot er sich für ein Probetraining in der Ostschweiz an. Nach interner Absprache lud ihn der FCSG dann tatsächlich zu einer Probewoche in der Saisonvorbereitung 2022/2023 ein. Für einen Profivertrag bei den Espen reichte es nicht. Er brauche noch Geduld, weil kein Platz auf der Kontingentsliste frei sei, entgegnete man ihm. Geduld hatte Metter keine. Der Mann, der übrigens nie für eine U-Auswahl des SFV aufgelaufen ist, hatte jedoch Blut geleckt.
Ab ins Ausland – koste es, was es wolle
Mettlers Vertrag bei Etoile Carouge war ausgelaufen. Auf ein weiteres Jahr in der Promotion League hatte er keine Lust. Plötzlich ergab sich die Chance auf ein Auslandabenteuer. Lleida Esportiu aus der Segunda Federación (4. Liga Spaniens) suchte noch nach einem polyvalenten Mittelfeldspieler. Eine Aufgabe, die Mettler reizte. Ohne lange zu zögern, zog er nach Katalonien und hoffte, endlich das Glück beim Schopf packen zu können. Im schlimmsten Fall würde er nachher wenigstens Spanisch sprechen, offenbarte er seine Gedankengänge 2023 in einem Blick-Interview. Ein gutes halbes Jahr sollte er in Lleida bleiben. In einer Liga mit einem Niveau, "das in etwas demjenigen der Challenge League entspricht", schätzte Mettler selbst ein. Die Liga gefiel dem Genfer. Vor allem Spiele gegen Nachwuchsteams der La-Liga-Teams hinterliessen Eindruck. Die zweite Garde von Espanyol Barcelona oder des Valencia CF waren in derselben Regionalgruppe eingeteilt wie Lleida. Im März letzten Jahres tat sich dann eine andere Möglichkeit auf – in einer ganz anderen Ecke des Kontinents.
Fuss fassen in Norwegen
Über einen Bekannten, aus Zeiten im Servette-Nachwuchs, kam Mettler in Kontakt mit einem Verein aus Norwegen. Der Raufoss IL stand in der Vorbereitung zur Saison 2023 (in Norwegen dauert die Meisterschaft von April bis November). Auch dort suchte man einen kreativen Spieler fürs offensive Mittelfeld. Der Betreuer erinnerte sich an seine Zeit und brachte Mettlers Namen ins Spiel. Raufoss, das zwei Stunden nördlich von Oslo in der sprichwörtlichen "Pampa" liegt, war ein Mittelfeldklub aus der zweiten Liga des Landes. Mettler beurteilte die Situation pragmatisch. "Lieber in einer kleinen Fussballnation in der zweiten Liga spielen, als in der dritten oder vierten eines grossen Landes zu versanden", sagte er sich. Vielleicht tut sich ja plötzlich ein Tor zur ersten Liga, der Eliteserien, auf. Mit seinen mittlerweile 24 Jahren brauchte er nicht lange, um in der Kälte Skandinaviens auf Touren zu kommen. Bereits bei seinem zweiten Einsatz glänzte er mit zwei Assists gegen KFUM Oslo. Mit 9 Toren und 9 Vorlagen in 34 Spielen bewies er eindrücklich, dass sich die Raufoss-Verantwortlichen nicht in ihm getäuscht hatten. Gegenüber dem Blick verriet Mettler, dass er es geschätzt habe, im verschlafenen Städtchen keine Ablenkung vom Fussball gehabt zu haben. Kein Partyleben, keine Alkoholeskapaden – das Training war das Einzige, was zählte. Und hierfür war die Infrastruktur ideal. Trainingseinheiten konnten, wenn es das Wetter oder die Temperaturen nicht anders zuliessen, in einem Dome abgehalten werden. Daneben standen Fitness- und Spa-Angebote zur Verfügung. Mettler gefiel es in Norwegen, wo er mit seiner Spielweise aus der Masse herausstach. Und plötzlich kam das Angebot aus dem Oberhaus.
Unter den Fittichen von Ødegaards Vater
Erstligist Sandefjord Fotball nahm Notiz vom unbekannten Schweizer, der die zweite Liga aufmischte. Hans Erik Ødegaard, der dortige Trainer und Vater von Arsenal-Star Martin Ødegaard, wollte Mettler für die Saison 2024. Sandefjord eiste Mettler für eine ungenannte Ablösesumme von Raufoss los und stattete ihn mit einem Zweijahresvertrag aus. Mit der Nummer 10 läuft er seit März 2024 in der Eliteserien auf. Ausser am zweiten Spieltag kam Mettler in jedem Spiel zum Einsatz. Meistens steht er in der Startelf. Seine Skorerwerte sind mit zwei Assists in 10 Pflichtspielen zwar noch nicht so eindrücklich wie in Raufoss, es scheint aber, als würde der Junge aus der Calvin-Stadt den Schritt packen. In Sandefjord konnte sich Mettler übrigens auch über die hiesige Super League unterhalten. Teamkollege Beltran Mvuka ist der Bruder von YB-Flügel Joel Mvuka.
Aufgrund der Europameisterschaft ruht nun auch in Norwegen der Ball. Zeit für Mettler, sich noch einmal mental zu sammeln, um ab Ende Juni endgültig durchzustarten. Man würde es ihm gönnen.
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