Interview mit Girod im Spiegel-online (letzte Woche)

02.06.2006 00:00:00 | maroons
Spiegel -online vom 25. Mai 2006

DFB-GEHEIMTEST

"Es gibt Wichtigeres als ein Spiel gegen Deutschland"

Nicht das kleinste Detail sollte über den Kick nach Außen dringen: das Undercover-Testspiel zwischen Deutschlands WM-Team und dem Schweizer Drittligisten Servette Genf. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE verrät der Genfer Girod dennoch, wie Klinsmanns Torwart überlistet werden konnte.

SPIEGEL ONLINE: Herr Girod, Sie haben mit dem Schweizer Drittligisten Servette Genf jüngst gegen den WM-Teilnehmer Deutschland gespielt. Was für eine Erfahrung war das für Sie?

Patrick Girod: Vor dem Spiel hatten wir Angst. Die Deutschen haben herausragende Spieler, und wir mussten befürchten, sehr viele Tore zu kassieren.

SPIEGEL ONLINE: Und nun, nachdem Sie das Spiel hinter sich haben?

Girod: Das war gar nicht so schlimm, wie ich es befürchtet hatte. Wir haben nur 1:2 verloren. Das Klinsmann-Team war aber müde wegen der harten Vorbereitung. Das hat uns geholfen.

SPIEGEL ONLINE: Der deutsche Co-Trainer Joachim Löw war mit der Vorstellung seiner Mannschaft nicht zufrieden.

Girod: Die Deutschen haben ruhig gespielt, man muss das verstehen. Es war für sie ein Test und kein Pflichtspiel gegen einen großen Gegner. Und so knapp war es nur, weil wir auf unserem höchsten Niveau gespielt haben.

SPIEGEL ONLINE: Das Spiel fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Wie fielen denn überhaupt die Tore?

Girod: Michael Ballack hat das 1:0 gemacht.

SPIEGEL ONLINE: Sicher wie üblich per Kopf, oder?

Girod: Nein, es war ein Freistoß aus 20 Metern.

SPIEGEL ONLINE: Und der Ausgleich?

Girod: Das war ein herrlicher Treffer. Unser Stürmer Estéban bekam den Ball kurz hinter der Strafraumgrenze, und aus einem schwierigen Winkel hat er den Ball oben ins Eck gezirkelt.

SPIEGEL ONLINE: In Deutschland ist es immer sehr wichtig, wie der Torwart spielt. War Jens Lehmanns Stellvertreter Oliver Kahn machtlos?

Girod: Es war ein Glücksschuss in den Winkel, da konnte Kahn nichts machen.

SPIEGEL ONLINE: Mit wem haben Sie es zu tun bekommen?

Girod: Ich bin der linke Innenverteidiger in der Viererkette, deshalb hatte ich es in der ersten Hälfte mit Miroslav Klose zu tun und in der zweiten mit Gerald Asamoah.

 

SPIEGEL ONLINE: Asamoah hat zehn Minuten vor Schluss das Siegtor erzielt.

Girod: (lacht) Das stimmt, aber da war ich nicht mehr auf dem Platz.

SPIEGEL ONLINE: Außen vor waren auch Ihre Fans. Der Zutritt war ihnen durch den DFB verwehrt, nicht mal Ihr Präsident durfte ins Stadion. Wir haben gehört, dass die Servette-Spieler sogar warten mussten, bis die Deutschen im Stadion waren.

Girod: Natürlich wäre es schön gewesen, wenn die Fans dabei gewesen wären. Wir versuchen gerade, ein neues Image aufzubauen, im vergangenen Jahr ist der Verein ja bankrott gegangen und musste in die dritte Liga zwangsabsteigen. Ein paar Tausend Zuschauer wären sicher gekommen. Aber wir respektieren die Entscheidung des DFB, die wollen eben von keinem in ihrer Vorbereitung gestört werden.

SPIEGEL ONLINE: Das klingt sehr diplomatisch.

Girod: Natürlich wären wir mehr als froh gewesen, vor 4000 Fans zu spielen. Aber vor allem wollen wir den Anhängern den Aufstieg in die zweite Liga schenken. Es gibt noch Wichtigeres als ein Spiel gegen Deutschland.

SPIEGEL ONLINE: Gab es noch andere Verbote? Durften Sie ganz normal in die Zweikämpfe gehen?

Girod: Wir brauchen solch ein Verbot nicht, wir haben doch auch so genug Respekt. Die Ansage war nur: Seid ein guter Sparringspartner und gebt Euer Bestes. Das haben wir getan. Für die Deutschen ist es doch auch besser, einen Gegner wie uns zu haben als einen Fünftligisten, bei dem einige nicht mit dem Ball umgehen können. Aber wir hatten zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit, zu gewinnen. Wir waren schon zufrieden, dass wir ausgleichen konnten.

 

SPIEGEL ONLINE: Wie weit kann die deutsche Mannschaft bei der WM kommen?

Girod: Deutschland kann Weltmeister werden, immerhin spielen sie ja zu Hause.

SPIEGEL ONLINE: Hat Sie irgendein deutscher Spieler beeindruckt?

Girod: Ich kann da keinen herausheben, für einen Drittligaspieler wie mich ist es auch schwierig, ich kenne ja nicht mal alle Namen. Die spielen unglaublich schnell, sehr athletisch, die Ballbehandlung ist gut.

SPIEGEL ONLINE: Das klingt fast so, als hätten Sie nach dem Spiel um Autogramme gebeten.

Girod: Nein, wir wollten die Trikots haben. Ein paar haben das auch geschafft. Ich leider nicht. Ich hatte Miroslav Klose schon in der ersten Hälfte gefragt, ob ich sein Shirt bekommen könnte. Dann wurde ich aber ausgewechselt und habe ihn dann nicht mehr gesehen.

SPIEGEL ONLINE: Die Junioren-Mannschaft Ihres Clubs spielt heute ebenfalls gegen die DFB-Elf. Haben die Jugendspieler schon mit Ihnen gesprochen und sich Tipps geholt?

Girod: Nein, noch nicht. Die sollen einfach genauso spielen wie wir und keine Angst haben. Es wird auch so schwer genug. Die Deutschen werden diesmal sicher ganz anders auftreten und versuchen, viel höher zu gewinnen.

 

Das Interview in Genf führte Christian Gödecke                                      /me