AZ-Bericht / Wohlen - Servette

14.08.2006 00:00:00 | maroons

Hier noch der Bericht aus der AZ vom Samstags-Spiel 

Estebans grosse Show in Wohlen
 

Challenge Legue Das Talent von Servette Genf schiesst die Freiämter im Alleingang ab
 

Der FC Wohlen unterlag Servette 1:5, obwohl er bis gut zwanzig Minuten vor Schluss noch Aussicht auf einen Punkt hatte.

MICHELE COVIELLO

Man rieb sich die Augen. Ein mässig grosser Stürmer watschelte auf dem Platz herum. Die Haltung krumm, der Gang gemächlich. War das wirklich Servettes einziger Fussball-Profi? Rückennummer und Matchblatt bestätigten alles. Das war tatsächlich Julian Esteban. Und der zeigte den Skeptikern sofort, dass er sein Salär mit gutem Gewissen einzieht. In der 8. Minute schaltete er wie eine Raubkatze von Lauerstellung auf Angriff. Er überholte seinen Gegner an der Seitenlinie, das lange Zuspiel in die Tiefe erreichte er problemlos und sein Schuss schlüpfte zwischen Wohlens Goalie Felder und dem näheren Pfos-ten in die Maschen – 1:0 für Servette. Fünf Einsätze in der Schweizer U20 und die soeben eingetroffene Nominierung in die U21 waren damit erklärt.

Die Fans auf der Niedermatten durften ein Ausnahmetalent mit einer grossen Zukunft beobachten. Ein Genie, dem das Schwierigere einfach fällt: Beim Rennen rudert Esteban manchmal mit den Armen. Er scheint in seinen Bewegungen das Gleichgewicht zu suchen, als würde ihm etwas Fehlen – der Ball. Mit ihm an den Füssen wird sein Gang aufrecht, seine Kurven geschmeidig und sein Schuss unhaltbar. In der 68. Minute reichte ihm eine kleine Finte, um sich freie Bahn vor dem Wohler Tor zu verschaffen. Locker löste sich die Kugel aus 16 Metern von seinen Gliedern und landete hinter Reto Felder zum fünften Saisontor des Genfers im Netz. Jenes 3:1 brach endgültig den Willen der Wohler, die nach dem 1:2-Anschlusstreffer Gastaldis nochmals ihre Qualitäten gebündelt hatten. Doch dann gings sehr schnell. Drei Minuten nach dem 1:3 erzielte Samir Boughanem schon den nächsten Genfer Treffer (71.), kurz danach schob Chedly das endgültige 1:5 ein (76.). Wohlen war von der Rolle.

Seltsam, aber wahr. «Phasenweise war es das beste Spiel dieser Saison», sagte der Wohler Abwehrchef Danijel Knezevic. Ähnlicher Meinung war auch Trainer René Erlachner. «Wir sind sehr gut in dieses Spiel gestartet», sagte der Trainer mit Recht. Fraglich erschien aber, dass er seinem Goalie Reto Felder die ersten zwei Gegentreffer ankreidete. Beim 0:2 hatte Enfant terrible Esteban Felder mit dem Kopf umspielt, worauf Felder ihn an der Stirn berührte und damit einen Elfmeter verursachte, den Esteban selbst verwertete. «Der 0:2-Rückstand war das Problem», sagte Erlachner, «solche Tore hätten wir letzte Saison nicht bekommen und wären im selben Spiel in Führung gegangen.» Weil der Fussball aber nicht vom Konjunktiv lebt und nicht die ganze Schuld auf Felder lastete, muss erwähnt werden, dass Wohlen auch am Samstag offensiv einiges zu wünschen übrig liess und die gesamte Hintermannschaft bei der Esteban-Show mehr zum Publikum, als zu den Akteuren gehörte.

14.08.2006 / M.A.