Varol Tasar in der Luzerner Zeitung

08.02.2020 14:24:33 | Peter

Servette-Spieler Varol Tasar hat immer an sich geglaubt

 

Obwohl kein Wort französisch sprechend, hat sich Varol Tasar bei Servette schnell integriert und zählt zu den besten Flügeln der Liga.

Eine eisige Bise sorgt dafür, dass die Genfer Fussgänger mit grosser Eile unterwegs sind und die Fussballer von Servette beim Morgentraining noch einen Zacken schneller rennen als sonst. Doch danach, im Bauch des Stade de Genève, ist es wohlig warm und Varol Tasar bereit, sein erstes halbes Jahr in der Super League aufzurollen.
Im Sommer 2019 für eine gute halbe Million Franken vom FC Aarau zu Servette gekommen, hat der 23-Jährige bei den Grenat eingeschlagen. Nach 20 Runden weist sein Konto 18 Einsätze, sechs Tore und zwei Assists auf, was im Arbeitszeugnis die Note 5+ ergibt. Erstaunlich für einen, der vor vier Jahren noch beim FC Klingnau vier Klassen tiefer in der interregionalen 2. Liga gespielt hat. Und an Nationalspieler Renato Steffen erinnert, der 2011 als ebenfalls 19-Jähriger mit dem SC Schöftland in derselben Spielklasse auflief und heute beim VfL Wolfsburg engagiert ist.

Vollgas geben, statt eine grosse Klappe haben

In die Bundesliga möchte es Tasar auch einmal schaffen. Als Knirps hatte er für kurze Zeit das rotblaue Trikot des FC Basel getragen, wegen des zu hohen Jahresbeitrags aber nicht bleiben können. «Ich möchte jetzt keine grosse Klappe haben und vom FCB oder der Bundesliga reden, sondern bei Servette weiter Vollgas geben und dann schauen, was passiert.» Dass ihm der Sprung von der Challenge League in die Super League gelingen würde, habe ihn aber nicht überrascht. «Es klingt ein wenig arrogant. Doch ich war mir sicher, es zu packen», sagt der Waldshuter. «Ich bin einer, der immer an sich glaubt.» Und deshalb nach der Schulzeit auf die Karte Fussball gesetzt und auf eine Lehre verzichtet hat.
Eine Episode im Herbst 2015 hat ihn zudem für das Fussballgeschäft abgehärtet. Mit verlockenden Versprechungen hatte ihn ein windiger Berater von den Old Boys zu Aydinspor in die dritthöchste türkische Liga gelockt. Obwohl als Superstar angekündigt, wurde er weder eingesetzt noch bezahlt und brach seinen Horrortrip nach wenigen Monaten ab. «Ich war danach so frustriert, dass ich keinen Ball mehr sehen mochte und am TV keine Minute Fussball mehr schaute. Dann lotste mich ein Kollege zum Futsal nach Klingnau. Plötzlich hatte ich wieder Spass, absolvierte die Rückrunde beim FC Klingnau und schoss diesen zum Sieg im Aargauer Cup», erzählt Tasar.
Und sich selber zum FC Aarau, wo er zuerst im Team Aargau und dann zwei Jahre lang in der Challenge League spielte. An seine letzte Partie in dieser, das Barrage-Rückspiel gegen Xamax, erinnert er sich nur mit Grauen. «Das 0:4 und das verlorene Penaltyschiessen werden mich mein Leben lang begleiten», sagt Tasar. «Auch jetzt, wo wir darüber sprechen, läuft es mir kalt den Rücken hinunter.»
Mit dabei bei dieser sportlichen Tragödie war auch Gianluca Frontino gewesen. «Dass er fussballerisch die Super League drauf hat, war mir klar», sagt der frühere Mitspieler, «aber ich war mir nicht sicher, ob seine Arbeitseinstellung dafür reicht. Doch er hat mich Lügen gestraft und es gepackt.»
Und es sogar zu einer gewissen Bekanntheit gebracht. «Einmal wollte ich etwas ins Auto laden, da ist ein Vater mit seinem Sohn vorbeispaziert. Sie haben mich erkannt und wollten unbedingt ein Foto machen», berichtet Tasar. «Und kürzlich, ich sass im Auto, wurde ich von einem Velofahrer angehalten, der mich auf Englisch für mein gutes Spiel beglückwünschte.»

Verbesserungspotenzial im Defensivverhalten

Alain Geiger sagt: «Ich bin nicht überrascht, dass er so stark spielt. Er ist schnell und hat einen guten linken Fuss. Der Trainer von Servette bescheinigt Tasar sogar Qualitäten, die ihn ins Ausland führen könnten: «Sein Potenzial ist nicht ausgeschöpft. Wenn er sich in der Defensivarbeit verbessert, hat er eine gute Zukunft vor sich.»
Geiger sagt, Tasar sei ein guter Junge, der sich bei Servette super schnell integriert habe. Was deshalb bemerkenswert ist, weil Tasar bis auf «Bonjour» und «Merci» kein Wort französisch sprach. Das sei nie ein Problem gewesen, sagt der Deutsche. «Geiger spricht ja deutsch.» Dennoch wird er nun zwei Mal in der Woche einen Französischkurs besuchen. Und freut sich schon jetzt darauf, wenn seine Freundin in ein paar Monaten nach dem Lehrabschluss in seine 3-Zimmer-Wohnung in Bernex einzieht.
Jetzt aber fiebert er dem Spiel am Sonntag beim Leader in St. Gallen entgegen. Nach zwei Niederlagen in der Vorrunde möchten die Genfer Revanche nehmen. «Die St. Galler sind im Angriff zwar stark, aber wir sind schliesslich Vierte, auch gut drauf und rechnen uns schon etwas aus», sagt Tasar.

Quelle: (luzernerzeitung.ch / 06.02.2020 22:24 Uhr / Markus Brütsch)