Den Reifeprozess fortgesetzt: (Landbote / 23.04.2017)
Erstmals seit November 2013, als Boro Kuzmanovic noch sein Trainer war, hat der FCW drei Ligaspiele in Folge gewonnen. Das 3:2 gegen Servette war auch der erste Sieg in Genf seit zehn Jahren – und ein nächster (Fort-)Schritt auf dem Weg weg vom Tabellenende.
Das Resultat ist das eine – es stimmte zum dritten Mal in Folge und es stimmte gar gegen Servette, die mit acht Siegen und zwei Unentschieden in zehn Spielen beste Mannschaft des Jahres in der Liga.Die Leistung ist das andere – und auch sie stimmte wieder, wie mit zunehmender Konstanz seit dem unglücklichen 0:1 gegen Neuchâtel Xamax und mit dem 1:1 gegen Wil als kleinerem Ausrutscher dazwischen. Das 1:3 im Cup-Halbfinal gegen den grossen FCB war zwar nochmals eine Niederlage, aber leistungsmässig passte es.
Von Schritt zu Schritt
Er wolle, hatte Trainer Umberto Romano vor der Reise nach Genf gesagt, vor allem sehen, «dass wir wieder gut spielen.» Dass seine Mannschaft bestätige, was sie in den vergangenen Wochen immer klarer angedeutet hatte. So geschah es, und die neuste gute Leistung wurde mit einem Resultat belohnt, dem die Qualifikation «besonders wertvoll» zu geben ist. Es ist diese Kombination aus Leistung und Resultaten, die den FCW auf dem Weg zur Rettung in eine doch ziemlich stabile Lage gebracht hat.
Fünf Ligaspiele ohne Niederlage sind es mittlerweile, vom Tabellenletzten mit einem Punkt Rückstand ist der FCW inzwischen ein Sechster mit immerhin vier Längen Reserve geworden. Drei Ligasiege in Folge – das hat der FCW zuletzt vor über drei Jahren geschafft. Damals, im November 2013, gewann Boro Kuzmanovics letzte FCW-Mannschaft gar viermal hintereinander. Vor allem aber wurde in Genf dies bestätigt: Es ist immer mehr eine Handschrift zu erkennen, wie sie Sven Christ, der Trainer des Jahres 2016, nie hingebracht hatte. Diese Stilsicherheit und logischerweise zunehmendes Selbstvertrauen ermöglichten mit den drei Siegen diese Schritte: Zuerst das 3:2 in Aarau, nur vier Tage nach dem Cupmatch gegen den FCB, als erste wichtige Bestätigung, auch im Kampf um Punkte bestehen zu können. Dann das 4:1 gegen Le Mont als nächster, fast noch wichtigerer Nachweis, auch einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf schlagen zu können. Und nun dieser Sieg in Genf gar nach zweimaligem Rückstand. Das war die nächste gute Note im Reifezeugnis.
Auf den Tag genau zehn Jahre
Denn es war ein Match, der nicht für den FCW lief – mit dem 0:1 schon nach 43 Sekunden. Dabei hatte der FCW anstossen dürfen, doch sehr bald leistete Tobias Schättin mit einem Ballverlust die Basis für Servettes Blitzstart. Wie die Winterthurer auf dieses Tor reagierten, wie sie das später auch aufs 1:2 taten – das liess doch ein bemerkenswertes Selbstverständnis erkennen. «Wir zogen unser Spiel durch,» durfte Romano feststellen. Selbst wenn dieses Spiel mit einem Unentschieden oder gar einer knappen Niederlage geendet hätte, wäre manch Positives zu bilanzieren gewesen. Aber es endete eben mit einem Sieg des FCW, dem ersten im Stade de Genève seit einem ... 3:2 auf den Tag genau vor zehn Jahren. Auch damals lag der FCW zweimal zurück, das erste Mal allerdings «erst» nach drei Minuten. Luca Radice, diesmal Vorbereiter des 2:2, war damals schon dabei; auf Seiten Servettes wars Matias Vitkieviez, diesmal Vorbereiter des 1:0 ...
Die Winterthurer siegten an diesem 22. April also, weil sie sich von Gegentoren unbeeindruckt zeigten; weil sie drei Tore sauber herausspielten; weil von den paar klaren individuellen Patzern, die ihnen unterliefen, nur einer ausgenutzt wurde. Und schliesslich nicht zuletzt, weil ihr Skorer Silvio einen grossen Tag hatte. Er schoss alle drei Treffer. Letztmals gelang ihm so etwas im März 2014, in einem seiner ersten Ligaspiele für den österreichischen Bundesliglisten Wolfsberger AC. Auf dem Weg zu einem 4:0 gegen Wiener Neustadt.
Silvios Zahlen immer besser
Danach hat Silvio in acht Spielen in der Rückrunde neun Tore geschossen; einmal war er gesperrt, nur gegen Xamax traf er nicht. Mit 13 Treffern in 27 Matches ist er mittlerweile auf dem Schnitt für die Challenge League, mit dem er – aus seiner Vergangenheit in Wil, Lugano und Lausanne – nach Winterthur kam. Er ist also fähig, in praktisch jedem zweiten Spiel zu treffen. Letzter dreifacher FCW-Skorer war übrigens João Paiva, als er bei seinem Debüt am 21. Juli 2014 drei Tore zum 4:0 gegen den FC Wil beitrug.
Das 1:1 schoss Silvio nach einem gediegenen Zuspiel Gianluca Frontinos. Das 2:2 bereiteten Schättin und Radice vor, beim 3:2 schlug Luka Sliskovic, wieder mal kurz nach seiner Einwechslung, nach einem Flügellauf eine perfekte Flanke. Dieses 3:2 fiel im Gegenzug auf die letzte grosse Chance Servettes: Da hatte Guillaume Katz den Ball als hinterster Mann verloren, aber Topskorer Jean-Pierre Nsame und Marco Delley brachten es zusammen fertig, diese Chance zu vertändeln. Den ersten grossen FCW-Patzer hatte eben Schättin begangen; einen dritten leistete sich Frontino, der Glück hatte, dass nicht mehr als ein Eckball daraus wurde.
Individuelle Fehler
Es gibt also sehr wohl Dinge, die Romano und Zuffi kritisch ansprechen können. Diese individuellen Fehler beispielsweise, die schon gegen Le Mont Schaden hätten anrichten können. Überhaupt die ganze erste Halbzeit Schättins, aber auch die doch ziemlich blutleere Vorstellung des rechten Aussenläufers Leandro Di Gregorio. Auch deswegen stellte Romano nach einer guten Stunde um, als er Patrik Schuler als dritten Innenverteidiger aufs Feld schickte. Aber insgesamt war es ein sehr erfreulicher Auftritt. Natürlich holte sich Silvio am Schluss zu Recht den Matchball, der einem dreifachen Torschützen zusteht. Selbstverständlich ist Frontino mit seiner Ballfertigkeit ein wichtiger Pfeiler in der Entwicklung der Mannschaft. Aber es machte diesmal auch «Sechser» Kreso Ljubicic einen sehr ordentlichen Match. Es war Katz insgesamt der Patron der Abwehr, immer wieder erfolgreich gegen Nsame. Radice und Karim Gazzetta, zuletzt herausragend, waren es diesmal nicht. Gazzetta wirkte bei seiner Rückkehr nach Hause etwas übermotiviert. Aber als er ausgewechselt wurde, spendete die Tribüne wohlwollend Applaus.
Respektvolle Genfer
Die Genfer, ob ihr bisher noch ungeschlagener Trainer Meho Kodro oder die Spieler, hätten ihre Serie gerne ausgebaut. Aber sie respektierten ganz offensichtlich auch die Leistung des Gegners, und zwar vor allem eines: Wie der aufgetreten war, nämlich bemüht, das Spiel selbst zu machen und sich nicht um den eigenen Strafraum aufzubauen und aufs Glück zu hoffen, wie das in den letzten Monaten so gut wie alle Gastklubs im Stade de Genève taten. So ist ausgerechnet Servette, die «Mannschaft 2017», jene, gegen die der FCW bisher am meisten Punkte holte – sieben aus vier Spielen. Am Samstag kommt Aarau auf die Schützi – gebeutelt von sechs Niederlagen in sieben Spielen, von zuletzt vier Spielen mit je drei Gegentoren und einem ersten verlorenen Derby. Auch gegen die Aarauer hätte der FCW nach einem Sieg sieben Punkte gewonnen – und einen nächsten Schritt getan hin zu Konstanz und weg vom Tabellenende. (Landbote)
/bö
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