Ein sehr gelungener Abend und Platz 2
LANDBOTE: Mit einer starken, in der ersten Halbzeit gar begeisternden Leistung gewann der FCW erstmals in dieser Saison ein Spitzenspiel. Nach dem 4:2 gegen Servette ist er erster Verfolger Wohlens.
Es war der Tag, an dem der FCW beweisen musste, zur Spitzenmannschaft zu taugen. Denn auch im fünften Match gegen einen Gegner aus der oberen Tabellenhälfte sieglos zu bleiben oder gar (zum vierten Mal) zu verlieren, wäre ein schlechtes Signal gewesen. Es hätte Zweifel gemehrt, ob die Mannschaft unter Jürgen Seeberger über ihre unbestrittenen spielerischen Ansätze hinaus die für einen Spitzenplatz erforderliche Winnermentalität entwickeln könne. Was dann das Plus zu den vergangenen Jahren wäre.
Aber dann nutzte der FCW diesen wunderbaren Herbstabend zu einer Leistung, die in sehr vielen Beziehungen die einer Spitzenmannschaft war und ihren Trainer hinter zu Recht dies sagen liess: «Das war eine Superleistung, ein richtig gutes Spiel, gute Abendunterhaltung.» Und das gegen einen Gegner, der sich nach sechs Spielen ohne Niederlage in guter Verfassung fühlen konnte und dann doch klar geschlagen heimgeschickt wurde.
Vieles richtig gemacht
Der FCW machte zur Freude seiner 3000 Zuschauer manches, ja vieles richtig. Er begann dominant, geriet aber nach einer guten Viertelstunde nach zwei, drei Unzulänglichkeiten in der Abwehr doch in Rückstand. Darauf reagierte er in einer Art, die begeisterte, für diese Liga zweifelsfrei Seltenheitswert hat. Zwischen der 26. und 40. Minute schoss er drei Tore zum 3:1 – und dies gegen Genfer, die in den letzten sechs Spielen zusammen nur zwei Treffer erhalten hatte.
Es waren mit viel Entschlossenheit, Laufvermögen und spielerischer Qualität herausgespielte, ja geradezu erzwungene Tore. Zum 1:1 Patrick Bengondos, einem «Bengo»-typischen Hechtköpfler, leisteten vor allem Sandro Foschini, aber auch João Paiva erstklassige Vorarbeit. Beim 2:1 wirbelten Paulo Menezes, Bengondo und schliesslich Torschütze João Paiva die Genfer geradezu durcheinander – man konnte nur noch staunen. Und schliesslich nutzte Gianluca D’Angelo einen Ball, der ihm am Ende eines Angriffs etwas glückhaft auf den Fuss gefallen war, mit Übersicht zum 3:1.
Ein zweiter schlechter Moment in der Abwehr erlaubte Johan Vonlanthen kurz vor Halbzeit das 3:2. Nach einem abgewehrten Standardball war die FCW-Abwehr zu wenig rasch rausgerückt, also kam Vonlanthen alleine vor Matthias Minder zu stehen. Vor dem ersten Gegentor hatte Dennis Iapichino einen Fehlpass gespielt und danach Menezes «geschlafen». Nur so konnte der von hinten heranbrausende ehemalige FCW-Junior Michel Avanzini die Gelegenheit zum Torschuss erhalten. «Wir waren mit dem 2:3 bei Halbzeit noch gut bedient», anerkannte hinterher selbst Kevin Cooper, der Trainer Servettes.
Damit hatte seine Mannschaft in der Tat noch nichts verloren. Aber zwei Minuten nach Wiederbeginn dann doch, als Tunahan Cicek einen Konter, zu dem Bengondo und D’Angelo mitarbeiteten, souverän zum 4:2 nutzte. Was folgte war dann nicht mehr das offensive Spektakel der ersten Halbzeit, sondern eine insgesamt doch kompakte Abwehrleistung, in der es die Fehler des Anfangs nicht mehr gab. Also brachten es die Genfer im Verhältnis zum Ballbesitz, den sie nun hatten, nur zu sehr wenigen Torszenen. Eigentlich wurde Minder, die neue Nummer 1, nur zweimal herausgefordert; mal durch einen Kopfball Vonlanthens, mal durch einen seines Kollegen Sead Hajrovic. Als Minder Hajrovics Kopfball-«Abwehr» unter der Latte hervorkratzte und in Corner lenkte, liefen aber schon die letzten Sekunden.
Viele gute Einzelleistungen
Man kann also zusammenfassen, dass der FCW zuerst gut bis sehr gut angriff und danach ordentlich verteidigte. Mangelhaft waren eigentlich nur die paar Momente in der ersten Halbzeit, in denen fehlerhaft verteidigt wurde. Da leisteten sich die beiden Aussenverteidiger Menezes und Iapichino, bisher im Schnitt die besten FCW-Spieler, ungewohnte Fehlerchen. Aber damit war es bald einmal auch vorbei.
So wurde der Abend zu einer aus Winterthurer Sicht gelungenen Sache, mit einer kämpferisch guten und spielerisch phasenweise sehr guten Mannschaft. Mit Einzelspielern, die gut bis sehr gut waren. Herauszuheben ist die Leistung Gianluca D’Angelos, der in Abwesenheit des verletzten Antonio Marchesano erstmals Stefano Milani neben sich hatte. Und Milani bestätigte, ein sehr solider Challenge-League-Spieler zu sein; einer auch, der eher als andere den einfachen Weg sucht und immer wieder zu präzisen Vertikalpässen fähig ist – wie zu jenem nach einer halben Stunde, der Bengondo alleine vor Müller brachte. Aber dann scheiterte «Bengo» am philippinischen Nationaltorhüter der Genfer aus Deutschland ...
Es bestätigte aber auch Foschini, mit seiner routinierten Spielweise ein klarer Gewinn zu sein. Es war der wie erwartet für Captain Stefan Iten eingesetzte Manuel Akanji das Verteidigertalent seiner guten und vor allem konzentrierten Tage. Es lieferte Cicek den nächsten Hinweis, sich in einem halben Jahr in Winterthur zum konstanten und torgefährlichen Flügelspieler entwickelt zu haben. Und es war Bengondo der überragende Kämpfer, der nur schon damit sehr viel half, dass Minder jeden Auskick zu ihm schlagen konnte und er den Ball auch erwischte.
Die grosse Viertelstunde
Eine Viertelstunde wie diese zwischen der 25 und 40 Minute, mit drei Toren und Dauerdruck, war auf der «Schützi» seit Jahren nicht mehr zu sehen. «Sie spielten schnell, gut und präzis,» anerkannte später selbst Servettes Abwehrchef Niklas Dams aus Mönchengladbach. Für seinen Trainer aus England soll dieses 2:4 nach sechs Spielen ohne Niederlage nun als «Weckruf» dienen. Und Seeberger mochte an diesem Abend gegen ein «Servette, das in der Offensive doch gut ist, nichts bemängeln.» Aber natürlich weiss auch er, dass auf Dauer nur ein Spitzenteam ist, wer Leistungen wie diese regelmässig bietet. Wer also am nächsten Sonntag in Chiasso zu einem bestätigenden Resultat fähig ist. In einem womöglich unangenehmen Pflichtspiel. Hjs
FC Winterthur – Servette FC 4:2 (3:2)
Montag, 29. September 2014, 19.45h - Stadion Schützenwiese. – 3000 Fans – SR Superczynski.
Tore: 17. Avanzini 0:1. 26. Bengondo 1:1. 36. João Paiva 2:1. 40. D’Angelo 3:1. 43. Vonlanthen 3:2. 47. Cicek 4:2.
FCW: Minder; Menezes, Hajrovic, Akanji, Iapichino; Foschini, Milani (82. Krasniqi), D’Angelo, Cicek (80. Köfler); João Paiva (65. Schuler), Bengondo.
Servette FC: Müller; Sauthier, Mfuyi, Dams, Kursner; Gazzetta, Pasche (85. Cespedes); Bua (75. Cinque), Vonlanthen, Avanzini; Roux.
Bemerkungen: FCW ohne Marchesano, Baumann und Schättin (verletzt); Schuler nach seiner Einwechslung im Mittelfeld. – Servette ohne Rodrigues, Dominguez, Doumbia und Hasanovic (verletzt).
Verwarnung: 85. Pasche (Foul).
Fotos folgen
Servette entlässt Loïc Favre
Der Sohn von Mönchengladbachs Trainer Lucien Favre hat bei den Genfern einen Vertrag bis Juni 2016 und will die fristlose Kündigung beim Arbeitsgericht anfechten.
Einen Tag nach der 2:4-Niederlage in Winterthur hat der Challenge-League-Verein Servette seinen sportlichen Leiter Loïc Favre entlassen, wie die «Tribune de Genève» berichtet.
http://www.fussball.ch/Servette+entlaesst+Loic+Favre/639780/detail.htm
http://www.tdg.ch/sports/sfc/loic-favre-licencie-servette-affaire-ira-justice/story/25420265
/
Social Media