Matchbericht des Landboten zum gestrigen Spiel
Drei Punkte für einen grossen Kampf: (landbote.ch / 26.09.2016 23:40 Uhr / Hansjörg Schifferli)
Die Serie des FCW wird allmählich bemerkenswert. Nach dem 3:2 gegen Servette ist er in nun sieben Pflichtspielen in Folge ungeschlagen. Diesmal gewann er nach zwei Rückständen ein sehr gutes Kampfspiel gegen starke Genfer.
Das 2:1 für Servette bei Halbzeit war logisch, das 3:2 für den FCW zum Schluss vielleicht etwas glückhaft, aber sicher nicht unlogisch. Und was den knapp 3‘000 Zuschauern die ganze Zeit über geboten wurde, war ein für diese Liga sehr intensives, spannendes und unterhaltsames Spiel.
Zog man nach den ersten 45 Minuten eine erste Bilanz, dann staunte man, dass diese Genfer Aufsteiger nach den ersten vier Auswärtsspielen noch punktlos sein sollten. Denn es war nicht mehr annähernd die talentierte, physisch aber ungenügende «Juniorenmannschaft», die in den ersten Runden aufgetreten war. Das war eine höchst stabile, physisch sogar überlegene Mannschaft, gut organisiert in ihrem 3-5-2 und mit einem Stürmer, der die Winterthurer Abwehr mit gleich zwei Toren düpierte. Das war Jean-Pierre Nsamé, ein 24-jähriger Kameruner mit französischem Pass. Er stand auf der Schützi zum fünften Mal in Servettes Elf und hat danach schon sechs Tore auf seinem Konto. In der 4. Minute nutzte er nach einem eklatanten Fehlpass Marco Mangolds und kurzem Zuspiel Anthony Sauthiers seine erste Chance. In der 38. nach perfekt getimtem Steilpass Alexandre Alphonse traf er zum 2:1; diesmal allerdings aus so spitzem Winkel, dass man den Torhüter David von Ballmoos nicht eben als chancenlos sehen musste.
Im Mittelfeld überfordert
Die Winterthurer hatten zwischendurch zwar ausgeglichen, aber insgesamt waren sie mit dem – wenn auch absehbaren – System Servettes nicht zurecht gekommen. Zum einen hatten sie im Zentrum des Mittelfelds zu wenig Personal, zum andern wirkte Romain Dessarzin als rechter Flügelmann gegen den stabilen Aussenläufer William Le Pogam defensiv überfordert. Immerhin, Dessarzin schoss das Tor, sein erstes in der Meisterschaft für den FCW. Nach einem Eckball Leandro Di Gregorios und einem guten Rückpass Silvios schlug er den Ball aus 24 Metern ins Tor, so trocken wie das nur einer kann, dessen Schusstechnik überdurchschnittlich ist. Und Dessarzins Schusstechnik ist die vielleicht beste aller FCW-Spieler.
Die gute Reaktion
Die Vorteile der Genfer waren so offensichtlich, dass FCW-Trainer Sven Christ reagieren musste – und er reagierte. Vor allem reagierte er richtig. Er verdichtete sein Mittelfeld mit der Umstellung auf ein 4-1-4-1. Es wurde Manuel Sutter von der zweiten Sturmspitze zum rechten Flügelmann; Dessarzin durfte ins Zentrum und links kam Luca Radice für Marco Trachsel. Dass Christ Radice nach zwei schwachen Vorstellungen diesmal nicht in die Startelf genommen hatte, war begreiflich. Aber nach 45 Minuten war festzustellen, Stellvertreter Trachsel habe seine Chance nicht genutzt.
Zweiter Neuer in der Startelf war Robin Kamber, der sich diese Chance mit seinem Tor bei der Aufholjagd in Schaffhausen verdient hatte. Kamber war zuerst zweiter Sechser neben Mangold. Als dieser im 4-1-4-1 die Rolle des einzigen Sechsers übernahm, wirkte Kamber offensiver. Und er hatte dann nach einer Viertelstunde seinen grossen Moment. Manuel Sutter hatte sich energisch durchgesetzt, der Ball landete bei Sutter, und der drosch den Ball nach kurzem Dribbling nicht minder energisch aus relativ spitzem Winkel unter die Latte. Ein Tor, das die Zuschauer definitiv auf die Seite des FCW zog.
Nun hatte der FCW die Dinge auch taktisch besser im Griff. Er hatte mehr Ballbesitz, er wurde nicht mehr durch ein zahlenmässig überlegenes Genfer Mittelfeld immer wieder vor bedrohliche Probleme gestellt. Er war nun die bessere Mannschaft – wie es Servette vorher gewesen war. Allerdings brachte es, ehe die Wende vom 1:2 zum 3:2 vollzogen war, noch einen Moment des Spielglücks. Es war die 63. Minute, als Nsamé mit einem Heber aus 14 Metern die Latte über von Ballmoos traf, ehe Marco Dellay den Abpraller mit dem Kopf aus fünf Metern übers Tor setzte. Es war die Szene, die Servette doch noch drei Punkte hätte eintragen können.
Der berechtigte Penalty
Aber es gelang den Genfern nicht, die Wende aufzuhalten. Das 3:2 schien schon fast gefallen, als Daniele Russo nach einem nächsten Eckball mit dem Kopf das Tor nur um Zentimeter verfehlte. Und es fiel in der 85. Minute – wieder nach einem Eckball Di Gregorios. Mangold wurde auf der Fünferlinie vom französischen Routinier Jérémy Faug-Porret (29) umgerissen; der Schiedsrichter sah's, Elfmeter – Tor. Es war der erste FCW-Treffer Luka Sliskovics, der in der 77. Minute für Kamber erschienen war. Und wie schuldbewusst Faug-Porret auf diesen Pfiff reagierte, liess erkennen, dass der Elfmeter gerechtfertigt war.
Der FCW überstand die letzten wilden Angriffe der Genfer, er durfte danach jubeln übers siebte Pflichtspiel in Folge seit dem 0:1 gegen Neuchâtel Xamax am 10. August, das er nicht verlor. Er durfte sich über den dritten Heimsieg seither freuen – und wie am vergangenen Donnerstag in Schaffhausen darüber, dass er einen Rückstand aufgeholt hatte. In Schaffhausen wars nach einem 0:2 immerhin ein 2:2 gewesen; diesmal nach einem 0:1 und einem 1:2 ein 3:2. Da darf man sagen, die Mannschaft habe Kampfkraft und Charakter gezeigt.
Mangold beispielsweise raffte sich zu gewohnter Form auf, nachdem ihm der frühe Patzer unterlaufen war. Di Gregorio war mit seinen Standardsituationen an zwei Toren beteiligt und eben: alle arbeiteten. Auch für Christ war natürlich massgeblich, dass die Umstellungen bei Halbzeit aufgegangen waren - «dabei können wir das 4-1-4-1 eigentlich gar nicht.» Aber wer kämpft, der kann auch Dinge, die er nicht zu können glaubt. Es war jedenfalls erfreulich, wie sich die Mannschaft ins Spiel hineinarbeitete, wie sie sich damit wenigstens vorderhand in der oberen Tabellenhälfte festsetzte.
Braizat: «Sehr ärgerlich»
Jetzt wirds natürlich interessant, was am Samstagabend folgt, in Neuenburg gegen den Tabellenzweiten, der in der beinahe einjährigen Amtszeit seines Trainers Michel Decastel noch kein Meisterschaftsspiel auf dem heimischen Kunstrasen verloren hat. Vier Spiele, vier Siege lautet die Bilanz in dieser Saison.
Die Genfer aber zogen von dannen, mit der fünften Auswärtsniederlage, nachdem sie einen unerwartet starken Eindruck hinterlassen hatten. «Es ist schon sehr ärgerlich», sagte Trainer Anthony Braizat, «hätten wir die Tore gemacht, die wir hätten machen müssen, hätte es bei Halbzeit 3:1 und später 4:2 gestanden.» Das sei schon sehr «frustrierend». Anderseits sei er «stolz auf die Leistung der Mannschaft. Nach dem 0:3 in Zürich haben wir diesmal gute Dinge gezeigt.» Weniger gut aber war, Nsamé eine Viertelstunde vor Schluss auszuwechseln.
FC Winterthur – Servette FC 3:2 (1:2)
Schützenwiese : 2‘900 Zuschauer
Schiedsrichter : Lukas Fähndrich ; Johannes Vogel, Christopher Chaillet
Tore : 4‘ Nsamé (0:1), 24‘ Dessarzin (1:1), 38‘ Nsamé (1:2), 59‘ Kamber (2:2), 85‘ Sliskovic (Foulpenalty) (3:2)
Servette FC : Gonzalez ; Doumbia, Mfuyi, Faug-Porret ; Sauthier, Maouche, Hasanovic, Le Pogam ; Alphonse (74‘ Berisha), Delley (86‘ Da Silva) ; Nsamé (77’ Libertazzi)
FC Winterthur : von Ballmoos ; Avanzini, Russo, Katz, Di Gregorio ; Kamber (77‘ Sliskovic), Mangold ; Dessarzin, Silvio (87‘ Nsiala), Trachsel (46‘ Radice) ; M. Sutter
Verwarnungen : 32‘ Mangold, 60‘ Alphonse, 73‘ Mfuyi, 85‘ Gonzalez, 89‘ Sliskovic, 90‘+3 von Ballmoos, 90‘+3 Nsiala
Bemerkungen : Servette ohne Baumann, Besnard, Cadamuro, Caslei, Fargues, Frick, K. Gazzetta, Infante, Rodrigues (Verletzt), Cespedes, L. Gazzetta, Guedes, Kursner, Sabaly, Shala (Nicht im Aufgebot), 62‘ Lattenschuss von Nsamé ; Winterthur ohne D’Angelo, Krasniqi, Ljubicic, Schuler (Verletzt), Bünzli, Calbucci, Lanza, Roth, Schmid, Stalder, Zimmerli (Nicht im Aufgebot)
Die besten Szenen gibt’s hier im Video!
/peter
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