Spielbericht aus Wohlen und ein Beitrag der NZZ über Ultras

07.05.2008 00:00:00 | maroons

Die Youngsters glänzen

Wohlen kehrte gegen Servette auf verdiente Weise zum Siegen zurück. Die Freiämter kamen der Forderung ihres Trainers nach, mit allen Mitteln ein positives Saisonende zu erzwingen. Vor allem die junge Garde fiel positiv auf – ein Versprechen für die Zukunft.

lwa -- Der FC Wohlen versöhnte sich wieder mit seinem Publikum. Für die schön herausgespielten letzten beiden Tore durch Leonel Romero (88.) und Goran Karanovic (92.) gab es zum Teil stehende Ovationen für die Mannschaft. Die Spieler jubelten nach dem Spiel der Tribüne zu und umgekehrt. Nach zwei Partien mit ungenügenden Resultaten zeigte Martin Ruedas Team gegen Servette eine abgeklärte und gute Leistung – die zurecht mit einem hohen Sieg belohnt wurde.
Zum Teil zeigte Wohlen sogar jenen schönen Kombinationsfussball, der die Mannschaft in der Vorrunde landesweit bekannt gemacht hatte. Ein «Aber» gibt es trotzdem anzufügen: Die Unbeschwertheit von damals kehrte auch gegen ein schwach auftretendes Servette-Genf nicht zurück. Diese braucht man wohl in der nächsten Saison neu zu finden.

Karanovic stand goldrichtig
Trainer Rueda startete mit einem sehr jungen Team ins Spiel. Ausser des Routiniers Reto Felder, Ivan Dal Santo und Piu liefen nur Spieler unter 25 Jahren auf. Mangelnde Abgeklärtheit war den Freiämtern aber höchstens in der zweiten Hälfte der ersten Halbzeit vorzuwerfen: Die Führung durch Goran Karanovic konnte weder ausgebaut noch in die Kabine gerettet werden.
Der 21-jährige Stürmer – der die Position des verletzten Goalgetters Alain Schultz einnahm – brachte Wohlen nach einem schönen Eckball von Raul Cabanas mit einem wuchtigen Kopfball in Führung (17.).
Piu per Kopfball (19.), wiederum Karanovic (24.) und Romero per Weitschuss (34.) verpassten danach gute Möglichkeiten, die Führung auszubauen. Die beste Chance der ersten Halbzeit vergab aber Raul Cabanas. Piu vertändelte eine gute Abschlussmöglichkeit, fand in extremis mit einem Querpass den völlig freistehenden Mittelfeldspieler – der den Ball übers Tor von David Marques drosch (42.).

Mamone brachte Aggressivität
Die Gäste, bislang höchstens nach Standardsituationen gefährlich, bestraften das fahrlässige Heimteam. Mit einem schönen Pass in die Tiefe setzte N’Tiamoah Boughanem in Szene, der Felder keine Chance liess (44.). Die Partie konnte von Neuem beginnen.
«Ich habe die Halbzeitpause genutzt, um herunter zu kommen und zu überlegen, was falsch lief bisher», sagte Wohlens defensiver Mittelfeldspieler Simon Roduner. Er habe vor dem Seitenwechsel oft die falschen Entscheidungen getroffen: Abgespielt, wenn er den Ball hätte behalten sollen und umgekehrt.
Das «In-sich-Gehen» zahlte sich aus: Roduner kehrte voller Selbstvertrauen auf den Platz zurück. Mit einem Kunstschuss aus rund 25 Metern brachte der seine Mannschaft wieder in Führung (68.). Auch dank der Einwechslung von José Luis Mamone (59.), der dem Spiel der Platzherren die nötige Aggressivität verlieh, stand einem Wohler Sieg nun nichts mehr im Weg.

Piu ohne Glück
Die Gäste entblössten auf der Suche nach dem Ausgleich ihre Defensive und liessen den Freiämtern den Raum, um zu glänzen. Goran Karanovic erzielte mit dem 4:1 seinen siebten Saisontreffer und überholte damit Piu in der internen Torschützenliste (6 Treffer). Zwei Runden vor dem Saisonende hat sich Karanovic – der nun zweitbester Wohler Torschütze ist – wohl definitiv seines Formtiefs entledigt. Anders sieht es bei Piu aus. Der Brasilianer steckt mittendrin. In der 62. Minute rutschte ihm der Ball bei einer hochkarätigen Möglichkeit über den Rist, acht Minuten später setzte er den Ball in aussichtsreicher Abschlussposition an die Latte (José Luis Mamone doppelte in der gleichen Minute mit einem Pfostenschuss nach).
Es waren vor allem die Youngsters, die in der Offensive überzeugten. Angst um seinen Job müsse Piu aber nicht haben, sagte Trainer Martin Rueda. Er werde auch in der neuen Saison auf einen guten Mix zwischen Routiniers und jungen Spielern vertrauen. Und der Brasilianer sei nach wie vor ein wichtiger Spieler für ihn. Dass sich die junge Garde zum Saisonende in Szene zu setzen weiss, ist jedoch ein Versprechen für die Zukunft. Simon Roduner: «Manche von uns spielen erst die erste oder zweite Challenge League-Saison. Wir werden uns kontinuierlich steigern.»

(Wohler Anzeiger vom 6. Mai 2008)


Matchtelegramm:
FC Wohlen - Servette FC 4:1 (1:1)
Niedermatten. - 1420 Zuschauer. - SR: Meroni. - Tore: 17. Karanovic 1:0. 44. Boughanem 1:1. 68. Roduner 2:1. 88. Romero 3:1. 92. Karanovic 4:1.
Wohlen: Felder; Schaub, Iten, Dal Santo, Schirnizi (87. Mancino); Cabanas, Romero, Müller (59. Mamone), Roduner; Karanovic, Piu (79. Kozarac).
Servette: Marques; Ratta, Pizzinat, girod, Bratic; Vitkieviez (63. Daoudi), N'Daye, Boughanem (72. Londono), Yoda; Moukoko (55. Bouziane), N'Tiamoah.
Bemerkungen: Wohlen ohne Yrusta, Schultz und Leite (alle verletzt). Servette ohne Guilliou, Treand, Celestini, Dubois, Pont, N'Zay (alle verletzt), Souto (gesperrt), Cardoso, Papalardo (beide abwesend). - Verwarnungen: 81. Girod, 90. Londono (beide Foul). - 70. Lattenschuss Piu, 70. Pfostenschuss Mamone.            /http://www.fcwohlen.ch/Cms/default.aspx?Page=0708hservette

Fussball-Ultras haben Hooligans abgelöst

Militante Fussballfans verhalten sich weniger rechtsextrem als früher, widersetzen sich aber zunehmend der Selbstkontrolle innerhalb der Fanszene. Experten fordern nun mehr Prävention.

FCZ-Fans im Visier der Staatsanwaltschaft

Die Krawalle während und nach der Partie zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich vom letzten Freitag haben die Diskussion um Gewalt an Fussballspielen neu entfacht. Während die Basler Staatsanwaltschaft wegen Gefährdung des Lebens ermittelt und Sportminister Samuel Schmid vor einem «Flächenbrand» warnt, liefern Forscher der Universität Neuenburg neue Einblicke in das Innenleben der radikalen Fanszene*.

Gewalt nur bei Provokation

Eine noch unveröffentlichte Nationalfondsstudie unter der Leitung des Sozialwissenschaftlers Thomas Busset stellt fest, dass rassistische und rechtsextreme Haltungen unter den militanten Fans zurückgehen. Im Vergleich zu den Neunzigerjahren, als gewaltbereite Hooligans die Szene dominierten, geben heute so genannte Ultras den Ton an. Die vorwiegend männlichen Mitglieder dieser Gruppierungen sind zwischen 15 und 25 Jahren alt und stammen aus allen sozialen Schichten. Sie sind überwiegend gut integrierte Schweizer Bürger und verstehen sich als fester Bestandteil ihres Klubs, den sie wie ihre Stadt oder ihre Region bedingungslos unterstützen. Gegenüber dem kommerzialisierten Fussballgeschäft nehmen sie eine kritische Haltung ein. Ultras organisieren spektakuläre choreografischen Aktionen in den Stadien, wie Riesentransparente, rhythmische Schlachtgesänge – und das Abbrennen von Feuerwerkskörper. «Für die Ultras stehen Emotionen im Vordergrund», sagt Busset. Gewalt ist für sie gemäss Selbstdefinition kein Selbstzweck, sondern nur Antwort auf Provokationen.

Bussets Team hat für seine Studie Ende 2004 und Anfang 2005 während insgesamt 60 Spielen die radikale Fanszene der Fussballklubs FC Basel, BSC Young Boys und Servette FC beobachtet und mit dreissig Anhängern aus dem harten Kern vertiefte Interviews geführt.

Feuerwerk gehört zur Ultra-Kultur

Auch die FCZ-Anhänger, die in Basel pyrotechnische Gegenstände auf FCB-Fans geworfen haben, werden Ultra-Vereinigungen wie der Gruppe «K4» zugeordnet. Wie aber erklärt sich Busset die neue Eskalation in der Fanszene, wenn gewaltbereite Hooligans zunehmend von Emotionen suchenden Ultras abgelöst sein sollen? «In Basel hat sich eine Randgruppierung nicht an den Code der Szene gehalten», sagt Busset. Feuerwerkskörper gehörten zwar zur Kultur der Ultras. Dass diese bis zu 1000 Grad heissen Utensilien direkt auf Zuschauer geworfen werden, sei jedoch nicht die Regel. Andere FCZ-Fangruppen hätten die «K4»-Leute dementsprechend zu disziplinieren versucht, was im Stadion und nach der Rückkehr der Fans in Zürich zu Schlägereien geführt habe. Für Busset zeigen die Vorfälle von Basel vor allem eines: «Innerhalb der Fanszene kann die Selbstkontrolle schneller verloren gehen, als dies die Leaderfiguren einräumen.»

Busset rät den Fans, die Verwendung von Feuerwerkskörpern neu zu diskutieren. Den Klubs legt er nahe, mit verstärkter professioneller Fanarbeit auf solche Vorkommnisse zu reagieren: «Im Vergleich zum Ausland hat die Schweiz bei der Fanarbeit einen grossen Nachholbedarf.» Busset rät vor allem zur verstärkten Präsenz von Sozialarbeitern in den Stadien. Mit Ausnahme des FC Basel habe kein Verein über mehrere Jahre hinweg eine professionelle Fanbetreuung betrieben. Diese Aussage wird von den Mediensprechern der beiden Zürcher Stadtklubs umgehend dementiert. «Der FCB hat wohl einen Vorsprung. Doch auch wir betreiben seit drei bis vier Jahren eine professionelle Fanbetreuung», sagt etwa FCZ-Medienchef Alexander Kuszka.

Kaum Interesse an der Euro

Wenig Bedenken hegt Busset mit Blick auf die Euro 08. «Die Ultras sind an der Nationalmannschaft kaum interessiert.» Er könne es sich nicht vorstellen, das Zürcher und Basler Ultras plötzlich Hand in Hand für dieselbe Mannschaft eintreten. Zudem sei auf Grund der restriktiven Ticketvergabe nicht davon auszugehen, dass sich grössere Gruppen von Ultras die EM-Spiele im Stadion selbst anschauen. Mögliches Konfliktpotenzial sieht der Wissenschaftler hingegen im Umfeld der Public-Viewing-Areas. «Hier wurde aus kommerziellen Gründen ein neues Problem kreiert», sagt Busset.

NZZ    / steini